Vermummte Gestalten, die Menschen wie am Fliessband töten: So kennt man Extremisten des Islamischen Staats (IS). Aber es gibt noch eine andere Seite. Der IS nimmt für sich in Anspruch, ein Staat zu sein. Und wie in jedem normalen Staat gibt es im Kalifat Gesetze, in diesem Fall die Scharia. Aber wie das islamische Recht ausgelegt und angewandt wird, ist unter den Rechtsschulen und manchmal sogar von Dorf zu Dorf umstritten.
In ihrem Herrschaftsbereich stellen die Extremisten Geburts- und Sterbeurkunden aus, schlichten Streitereien zwischen Nachbarn oder machen sich für Mieter stark. Alkoholgenuss und Rauchen sind verboten. In ihrer syrischen Hauptstadt Rakka gibt es auch eine Behörde, die dazu da ist, die Qualität von Produkten zu prüfen. Mehrmals hat sie Waren beschlagnahmt und öffentlich verbrennen lassen.
Nun haben die Mächtigen von Rakka eine neue Gefahr für die Gesundheit ihrer Untertanen entdeckt: Maggi-Bouillonwürfel. Auch Dosensuppen und Energydrinks sollen aus den Regalen der Händler verschwinden. Dass der übermässige Konsum von Energydrinks Gesundheitsrisiken berge, befanden im Herbst auch Forscher der Weltgesundheitsorganisation. Die Maggiwürfel gibt es freilich seit Jahrzehnten in fast jedem Krämerladen im Nahen Osten. Der IS hat jetzt allerdings entdeckt, dass die dafür verwendeten Kühe und Hühner nicht gemäss den islamischen Vorschriften geschlachtet würden. Kurz: Solche Bouillon ist nicht halal.
Lächerlich nannte die Begründung eine Gruppe von Aktivisten, die sich «Raqqa is Being Slaughtered Silently» nennt. Ob das Messer, mit dem der IS vielen Zivilisten die Kehle durchgeschnitten habe, denn eine gute Medizin sei, wollten sie auf ihrer Website wissen. Nestlé hat sich zu dem Vorfall noch nicht geäussert. Immerhin verzichten die Fanatiker in diesem Fall auf eine grosse Vernichtungsoperation. Die Händler dürfen die Waren ausserhalb des Kalifats verkaufen. Bei Zuwiderhandlung drohen ihnen allerdings Geld- und notfalls sogar Gefängnisstrafen.
source : nzz.ch